Futureskating Grenchen


Auf den Spuren der (alten) Skater
Juni 5, 2009, 8:29 pm
Filed under: Presse | Schlagwörter:
topelement
Von Parzival Meister
Bald schon wird in Grenchen ein Skaterpark stehen – und zwar genau dort, wo vor Jahren bereits eine Miniramp stand. Denn eine Skater-Szene gab es in Grenchen schon früher. Eine Spurensuche in der Vergangenheit:

«Nach einer umfangreichen Standortevaluation zeigte es sich, dass sich der Parkplatz südlich der Boccia-Halle für das Aufstellen einer Skateboardbahn am besten eignet.» Dass dieser Satz aus dem Protokoll des Grenchner Gemeinderates vom Juni 2008 stammt, wäre gut möglich. Denn damals entschied sich der Rat nach jahrelangem Ringen um einen geeigneten Standort für den Bau eines Skaterparks südlich der Bocciahalle. Die Pläne dafür stehen, und bis Ende November soll der Park errichtet sein (wir berichteten). Doch der oben zitierte Satz stammt nicht aus einem Gemeinderatsprotokoll von diesem Jahr, sondern aus einer Ratssitzung vom 24. März 1992.

Start beim Nordbahnhof

Dass Grenchen eine Skaterszene hat, ist nämlich nicht neu. Es gab sogar schon einmal einen Skaterpark – und zwar genau an der selben Stelle, wo er nun gebaut wird. Die Miniramp war damals die grosse Attraktion. Einer, der sich noch gut an diese Zeit erinnert, ist der heute 53-jährige Grenchner Bruno Cotting. Denn er und seine Kollegen haben die Miniramp gebaut: «Wir haben aus eigener Tasche rund 20000 Franken investiert. Und das waren nur die Materialkosten.» Ihren ersten Standort hatte die Miniramp nördlich des Nordbahnhofes, wo sie von 1990 bis 1991 stand, bis es zu Streitereien mit einem dort ansässigen Unternehmer kam.

Dann folgte der erste politische Vorstoss der Skater. Ende August 1991 wendeten sie sich mit der Bitte an die Stadt, einen Platz für ihre Anlage zur Verfügung zu stellen. Wie eingangs erwähnt, befand der Gemeinderat den Platz südlich der Bocciahalle als idealen Standort. Der Gebrauchsleihvertrag für die Nutzung dieses Platzes trägt das Datum vom 12. Mai 1992. Darin wurde aber nicht nur festgehalten, dass die Skater den Platz kostenlos nutzen können, sondern dass die nördliche Wand der dortigen Pumpstation als legale Sprayerwand benutzt werden kann.

Die «Space Invaders»Die Szene hatte also ein Zuhause gefunden. Und sie war auch organisiert. Die Fäden wurden im Hyperspace an der Bielstrasse gezogen, den Cotting und seine Kollegen 1985 als Spielclub eröffneten und 1990 zu einem Skater- und Sportladen umwandelten. 1991 ist Toni Roggo in das Geschäft eingestiegen, der den Laden noch heute führt – nun aber nicht mehr mit Skateboard-Artikeln, sondern als Velofachgeschäft. Er erinnert sich noch gut an die Skater: «Wir hatten sogar einen Club und ein Magazin.» «Space Invaders» nannten sich die Skater, und das erwähnte Magazin, in dem ihre Aktivitäten festgehalten wurden, trug den Namen «Over the Grey Days». Mit Aktivitäten sind zum Beispiel Skateboard-Kurse gemeint, welche von den «Space Invaders» organisiert wurden – auch im Rahmen des Ferienpasses. Zudem wurden hier die Resultate publiziert, welche die Skater an Contests belegten.

Skateboardkönig

Spricht man von der damaligen Grenchner Skaterszene und der Teilnahme an Wettkämpfen, so kommt man um einen Namen nicht herum: Toni Chiera war der Tony Hawk der hiesigen Skater. Der heute 33-Jährige bekommt noch immer glänzende Augen, wenn er von der Miniramp spricht: «Ich habe jede freie Minute da unten verbracht.» Skaten, so Chiera, sei halt kein Sport wie Fussball – heute kickt er bei Italgrenchen – sondern vielmehr eine Lebenseinstellung, eine eigene Szene.

So richtig mit dem Skaten begonnen hat er, als der Skaterpark beim Nordbahnhof aufgestellt wurde. Damals hätten etliche Bieler dort trainiert, die das Handwerk schon besser im Griff hatten, erzählt Chiera: «Wir haben geschaut, was für Tricks sie zeigten und haben dann versucht, sie nachzumachen.»

Als die Miniramp und weitere Elemente zum Standort bei der Bocciahalle verlegt wurden, ist die Szene immer grösser geworden. Eine Gruppe von bis zu 20 Skatern seien sie gewesen, erzählt Chiera. Und wie erwähnt, war er der erfolgreichste unter ihnen. Seine Disziplin war die Miniramp, da er in Grenchen die optimale Trainingsgelegenheit dazu hatte. In der Disziplin «Street» – daran orientiert sich der Skaterpark, der nun gestellt wird – sei er nie wirklich erfolgreich gewesen. Auf der Miniramp aber landete Chiera regelmässig auf dem Podest, wenn meist auch nur auf dem zweiten Platz. «Ich hatte einen Konkurrenten, den ich nie besiegen konnte», blickt er auf seine Zeit als aktiver Skater zurück. Chiera findet es schade, dass im neuen Grenchner Skaterpark keine Miniramp gestellt wird und meint lachend: «Das Brett für mein Comeback hätte ich schon parat gehabt.»

Münster Monster Mastership

Seinen grössten Erfolg feierte er in Italien, wo Chiera Mitte der 90er Jahre an einem Contest in Verona einmal den zweiten und im Jahr darauf den ersten Platz belegte. Doch am liebsten erinnert sich der Grenchner an einen Anlass, an dem er als 21-Jähriger Rang 69 belegte. Dass die Platzierung nebensächlich war, wird schnell klar, wenn Chiera von seiner Teilnahme am «Münster Monster Mastership» erzählt. Der Contest galt als Weltmeisterschaft und lockte nicht nur die Weltelite nach Deutschland, sondern auch rund 10000 Zuschauer. «Es war für mich schon eine Ehre, überhaupt teilnehmen zu können», erzählt der 33-Jährige und kommt aus dem Schwärmen kaum heraus.

Doch die Grenchner reisten nicht nur an Wettkämpfe, sie hatten auch einen vor Ort. Organisator war Paul Heuberger, der Geschäftsleiter der Vertical Technik AG. Das ist also genau dieser Mann, der den neuen Grenchner Skaterpark aufstellen wird. Gefahren wurde damals aber nicht auf der bestehenden Miniramp, sondern auf einer mobilen, die Heuberger anlieferte. Toni Chiera kann sich noch gut daran erinnern: «Am eigentlichen Wettkampftag war so schlechtes Wetter, dass der Anlass aufs nächste Wochenende verschoben werden musste. Ich konnte also eine ganze Woche lang auf dieser neuen Rampe trainieren.» Chiera führt lachend an: «Diese sollte man aufstellen, dann würde auch ich wieder mit Skaten beginnen.»

Die Szene bröckelte

Es war ums Jahr 1997, als die Grenchner Skaterszene zu bröckeln begann. Toni Roggo vom Hyperspace stellte damals sein Sortiment um: «Bis zu diesem Jahr haben wir noch Skaterprodukte verkauft. Dann habe ich den Fokus voll auf die Fahrräder gelegt.» Zurückzuführen war dies auch auf den Zerfall der Miniramp, weiss Bruno Cotting: «Die Holzkonstruktion war lange der Witterung ausgesetzt. Aber auch Vandalismus war Schuld am Zerfall.» Man habe kein Geld, aber auch keine Motivation gehabt, die Miniramp wieder in Stand zu stellen. Von Seiten der Skater habe dazu die Initiative gefehlt, so Cotting. Auch Toni Chiera führt den Niedergang der Szene auf die zwei Faktoren zurück: «Die Miniramp war nicht mehr befahrbar und zu dieser Zeit trennten sich unsere Wege.» Abgerissen wurde die Rampe schliesslich im Jahr 1999.

Dass der Skaterpark nun an exakt am selben Standort wie damals aufgestellt wird, finden Cotting, Roggo und Chiera übrigens nicht die beste Lösung. Unabhängig voneinander sagen sie, der Park hätte zentraler gebaut werden müssen. Sie schliessen den Erfolg nicht aus, machen ihn aber von einem Punkt abhängig: Der Park muss belebt sein. Denn wie Chiera erklärt: «Alleine macht Skaten einfach keinen Spass.»

toni

Toni Chierra in Aktion: Der Grenchner zeigt sein Können auf der mobilen Rampe, die für einen Contest auf Grenchen gebracht wurde.

(Solothurner Tagblatt)

Erstellt: 13.11.2008, 10:15 Uhr


Kommentar verfassen so far
Hinterlasse einen Kommentar



Hinterlasse einen Kommentar