Futureskating Grenchen


Flügel am Boden
Juni 18, 2009, 3:48 pm
Filed under: Kolumnen, Geschichten und freie Beiträge

Dieser aller erste, allerdings sehr acciociative Beitrag zum Thema stammt von Markus Sulzberger, Fotograf  und Webdesigner aus Winterthur. Die örtliche Distanz zu Grenchen macht es wohl aus, dass der direkte Bezug zum Thema fehlt. Hier ein Beitrag, der zwischen den Zeilen schwingt und philosophisch zum Kernthema vordringt.

 Nichtsdestotrotz freuen wir uns, dass überhaupt jemand schon geantwortet hat.

la vida no vale nada SUFI not ZEN
von Markus Sulzberger

Danke, Jim Jarmusch, für diesen Film.
'Es gibt Szenen, bei denen man nicht weiss, ob man sie geträumt hat
oder ob man sie in einem Film gesehen hat.' Film als Traum - das ist
ein Stichwort, das uns direkt zu Andrej Tarkowski führt... und auch
die Szene, die von der weisshaarigen Dame (selbst eine Figur aus
einem anderen Film) darauf geschildert wird, ist aus 'Stalker'. Auf
Youtube könnte man 'Limit of Control' 'Videoantwort auf Stalker'
nennen, bei Hesse wäre es eine weitere Glasperle im Spiel.
Meisterhaft verwebt Jarmusch, philosophische, wissenschaftliche,
politische, esoterische und religiöse Themen, indem er in jeder Szene
einen Container aufmacht und querverbindet, wie den zu 'Stalker
(1979)', anlässlich seines 30. Erscheinungsjahres.
Während man den Film anschaut, sollte die Assoziationsmaschinerie auf
Hochtouren laufen... bitte nicht sich zurücklehnen und den Film wie
ein Musikviedeo vor sich abspielen lassen ohne zuviel dabei zu denken.
Es ist z.b. wichtig, was der Protagonist mit der Gitarrensaite macht
und vorallem woher sie stammt. Man sollte z.B. auch bemerken, dass
eine in durchsichtiges Plastik gehüllte, nackte Frau, nicht hinter
einer Ecke verschwindet, sondern ausgeblendet wird. Der Film lebt von
lauter solchen kleinen Details, die auf die Hauptaussage hinarbeiten,
die gewaltiger nicht sein könnte, wenigstens nicht für einen
Freigeist wie Jarmusch und wer weiss, auch noch den einen oder
anderen Menschen mehr, der von sich sagen kann: 'ich lebe unter
niemandem.'

Der Protagonist begibt sich nach Spanien, wo die Inquisition erfunden
wurde. 1492 vertrieb Isabella von Spanien alle nicht taufwilligen
Juden des Landes und 10 Jahre später alle Mauren. Eine
prosperierende Kultur wurde in Spanien ausgelöscht und unter eine
Kontrollinstanz gezwängt. Interessanterweise ist Amerika 1492
'entdeckt' worden, der Beginn zur Unterjochung des Kontinents und der
Imperialmacht Spanien.
Der Protagonist, wie in Ghost Dog ein Schwarzer (er spielte den
Eisverkäufer in Ghost Dog und sah zu wie er starb...), überwindet
nach einigen Stationen, an welchen er Hostien gleich Zettelchen mit
Codes (leider konnte ich die beim ersten Mal nicht genau einsehen,
liefern aber sicher weitere Informationen im Puzzle, ich meine
THX1138 auf einem gelesen zu haben...) isst und mit Espresso spühlt,
die Grenze auf wunderbare Weise zur aktuellen Kontrollinstanz in
Spanien und beseitigt sie (notabene mit einer Methode der Sufis ...
die durch eine Japanerin noch erweitert wird...). Wichtig ist dabei
allerdings, dass es sich (wie übrigens im Stalker ebenfalls) auch um
einen inneren Prozess des geistigen Wachstums handelt. Die
Kontrollinstanz, den kleinen Inquisitor in sich, wird im schwarzen
selbst überwunden, so dass er, nach vollbrachter Tat ein
Trainerjacket mit aufgesticktem afrikanischem Kontinent, gegen den
seidenen Anzug tauschen kann.
Die Antwort auf den Titel wird am Schluss geliefert: 'no limit no
control'.
Dem aufmerksamen Cineast ist nicht entgangen, dass ein afrikanisch
stämmiger Amerikaner die amerikanische Kontrollinstanz in Spanien
beseitigt, das wiedrum Amerika einst unter seine Herrschaft gezwungen
hatte...
Leider kann ich nach dem ersten Mal schauen nur Stichwortweise Themen
und deren Verknüpfungen wiedergeben. Es ist auch schwierig all das zu
beschreiben was Jarmusch elegant andeutet, das ist und bleibt der
grosse Vorteil des Mediums Film. Jarmusch lenkt mit sicherer Hand
durch die Thematik und ich werde den Film wieder und wieder schauen,
so wie Lars von Trier 'Der Spiegel' von Tarkowski nach eigenen
Angaben rund 30 mal schaute... Ja - Film kann Kunst sein! Und in
diesem Fall IST Film Kunst. Eine zweistündige Meditation auf sehr
hohem Niveau die dem Betrachter alle Freiheit lässt. Jarmusch wertet
nicht, hat den kleinen Inquisitor in sich schon beseitigt, sondern
stellt Bild neben Bild wie die japanischen Poeten.

 

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